
Nach 30jähriger Unterrichtserfahrung, unter anderem auch im Fach Deutsch, ist es mir ein Bedürfnis über die mühevolle Arbeit des Texteschreibens und Texteüberarbeitens einige Worte zu verfassen.
D a s hat man uns als Student und Junglehrer gelehrt und wir haben es gelernt:
Texte schreiben in der Schule bedeutet – Aufsätze schreiben, anders ausgedrückt, die in den Schulbüchern vorgegebenen Textsorten werden mit den Schülern erarbeitet, eingeübt, an Musterbeispielen niedergeschrieben und zum Schluss von der Lehrperson verbessert. Anschließend erhält der Schüler das Ergebnis „seiner” Arbeit, das nun nicht mehr sein Text, sondern der Text des Lehrers ist, zurück und nun muss er/sie diesen Text verbessern.
Wer diese Prozedur im Unterrichtsalltag erlebt hat, wird mir beipflichten, dass diese Arbeit weder für Schüler noch für den Lehrer ein interessantes, abwechslungsreiches und freudvolles Unternehmen ist. Der Sprach- oder Deutschunterricht steht für etwa zwei bis drei Wochen z.B. unter dem Titel „Wir schreiben Sagen”. Die Vorgaben in den Schulbüchern sind motivierend illustriert, die Texte der Autoren nahezu perfekt verfasst, die nachstehenden Methoden, die zum erfolgreichen Verfassen derartiger Texte anregen sollen, klug durchdacht.
Doch vor allem für die sprachlich weniger begabten Kinder artet das Schreiben dieser Textsorten zu einem Leidensweg aus. Das Ergebnis, das sie zustande bringen, wird vom Lehrer als mangelhaft und unzureichend abgestempelt. Es entspricht weder der Mustervorgabe noch sind die vielen Mängel der sprachlich korrekten Ausdrucksweise, der passenden Rechtschreibung und zum Schluss auch noch des textliches Ablaufes und Zusammenhanges zu übersehen. Der Lehrer beginnt nun die auf dem Papier festgehalten Sätze nach Ausdrucksfehlern, Fallfehlern etc. zu durchforsten, bessert die orthografischen Mängel aus, streicht und fügt in die minimalen Zwischenräume seine Formulierungen ein. Zum Abschluss kommt der Kommentar dazu: „Deine Arbeit weist etliche inhaltliche Mängel auf, der Ablauf der Sage ist wenig gelungen, wichtige Teile nach der besprochenen Vorgabe fehlen, u.ä.“
Das rote Meer, das nun entstanden ist, hat der korrigierenden Lehrkraft Stunden gekostet, dazu noch Konzentration, Mühe und außerdem Ärger über die viele Arbeit bereitet. Doch wir sind noch nicht fertig – Das war nur der erste Teil.
Im zweiten Teil wird nun das „rote” Meer, die gut gemeinte Version des Lehrers vom Schüler neu geschrieben. Dabei entstehen nun für den Schüler viele Fragen – wie heißt das richtig (dem Vater/den Vater)?, wie schreibt man das Wort richtig (blässlich, bläßlich)?, was hat der Lehrer mit diesem oder jenem Eintrag gemeint?, was meint er/sie mit inhaltlichen Mängeln und welche Teile habe ich vergessen?
Die Lehrkraft soll nun alle Fragen aller Schüler möglichst rasch beantworten, oft erklärt man dann als Lehrer im Stress der Unterrichtstunde: „Das muss man ja wissen, schau im Wörterbuch nach, das haben wir ja alles schon besprochen, du musst dich mehr anstrengen!“
Die Verbesserung ist natürlich Hausübung. Angeblich soll es Lehrer geben, die nach der Verbesserung des Textes, diesen noch einmal überarbeiten lassen und eine weitere Verbesserung vom Schüler verlangen.
Dritter Teil – die Vorbereitung der Sage – Sage ist das Schularbeitsthema – verlangt natürlich nach weiteren Übungstexten. Die gleiche Spiel beginnt von vorne, wie oben beschrieben – Text schreiben, überarbeiten, verbessern, überarbeiten, verbessern, …
Vierter Teil – jetzt wird es ernst, denn jetzt schreiben wir die Probearbeit für die Schularbeit, sie soll ja auch möglichst gut gelingen, Ablauf wie oben. Wer jetzt noch nicht erledigt ist, bekommt den Rest beim letzten Teil serviert.
Wir sind alle „toll“ vorbereitet und können uns getrost auf das Unternehmen Schularbeit stürzen. Einigen Schülern gelingt es auch den Text so zu formulieren, dass er den Vorgaben entspricht. Sollte der Lehrer noch nicht genug Sagen durchgesehen haben, so muss er es nun z.B. 25 Mal ganz genau tun, oftmals ist es 25 Mal der gleiche oder ähnliche Text, die Mustervorgaben sollen ja genau eingehalten werden. Und außerdem – lieber Kollege, liebe Kollegin – du hast nun eine Woche dafür Zeit, die Arbeiten der Schüler auch mit Noten zu versehen. Alle warten ganz gespannt, was dabei heraus kommt.
Nach diesen zum Teil provokanten, aber auch realistischen Darstellungen folgt mein Grobziel, das ich im beim Schreiben erreichen will:
die Arbeit mit Texten im Deutschunterricht für LehrerInnen einfacher, weniger zeitaufwändig, effizienter, lebensnäher und für SchülerInnen interessanter zu gestalten.